Eines haben alle Fälle gemeinsam: Ein Burn-out entsteht immer dann, wenn die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung abhandengekommen ist, wenn Grenzen überstrapaziert, nicht mehr anerkannt werden. Und: Burn-out entsteht niemals über Nacht, sondern während einer langen Zeit des falschen Haushaltens mit den eigenen Kräften. Dass dies Spitzensportler ebenso trifft wie Trainer, verdeutlichen zahllose Beispiele der den Jahre. Ralf Rangnick – damals Trainer beim FC Schalke 04 – zog sich 2011 mit einem Erschöpfungssyndrom einige Zeit aus dem Profigeschäft zurück, zuletzt trainierte er wieder überaus erfolgreich RB Leipzig. Sebastian Deisler – eines der größten Talente im deutschen Fußball – wurde immer wieder wegen Depressionen behandelt und gab seine Fußballkarriere im Alter von 27 Jahren auf. Tennisprofi Florian Mayer musste 2008 eine sechsmonatige Pause vom Profitennis einlegen, heute ist er wieder erfolgreich aktiv.
The winner takes it all
Dass Spitzensportler und deren Umfeld besonders Gefahr laufen, auszubrennen, liegt laut Dr. Mirriam Prieß vor allem an den Erwartungen und dem Prinzip, dass nur der Sieg zählt: „Die kompromisslose Orientierung am Erfolg und die Selbstdefinition ausschließlich über Leistung lassen die Betroffenen buchstäblich die Beziehung zu sich selbst und den Dialog mit sich selbst verlieren. Schwächen werden nicht zugelassen, Probleme nicht eingestanden. Im Gegenteil: Psychosomatische Folgen wie Schlaf- und Essstörungen oder Leistungseinbrüche werden systematisch kaschiert, um den Erwartungen weiter zu entsprechen, und durch noch mehr Training ,korrigiert’. In diesem Stadium steht der totale Einbruch meist unmittelbar bevor.“
Offene Dialogkultur
Doch wie kann es überhaupt zu derartigen Erschöpfungsspiralen kommen? Und wie kann man sie verhindern, ohne das Leistungsprinzip zu ignorieren? Zunächst ist Stress entgegen der häufigen Annahme nicht die Ursache des Ausbrennens, sondern eine Folge. Ein Burn-out ist nämlich nichts anderes als eine Erschöpfungsdepression. Und die entsteht immer dann, wenn Menschen – Spitzensportler, Trainer, aber auch ganze Mannschaften – den Kontakt zu sich selbst verlieren und einer idealisierten Vorstellung von sich folgen, die nicht der eigenen Identität entspricht. Zum Beispiel, wenn falsche Ziele vorgegeben werden (Europa-League-Plätze vs. Klassenerhalt, unterschiedliche Vorstellungen von Clubführung und Trainer etc.). Dr. Mirriam Prieß: „Wer einer falschen Vorstellung von sich nachjagt, kennt nicht mehr sein tatsächliches Maß und verlernt, an der richtigen Stelle Ja und Nein zu sagen. Man kann durchaus viel leisten, ohne sich zu erschöpfen – aber nur dann, wenn die Beziehungen stimmen, wenn man fähig zu echtem Dialog ist. Zu sich selbst, zwischen Trainer und Mannschaft, zwischen Verein und Trainer.“
Schwächen eingestehen
Das bedeutet in der Konsequenz, auch Schwächen und Versagensängste ehrlich einzugestehen und offen darüber zu sprechen – mit dem Trainer, innerhalb der Mannschaft oder mit der Vereinsführung und den sportlichen Abteilungen. Dr. Mirriam Prieß: „Schwäche ist absolut menschlich, sie zu verleugnen bedeutet einen elementaren Bestandteil von sich abzustreiten und nimmt die Möglichkeit zu wachsen. Mehr noch: Verleugnung und Verdrängung führen immer zu einer weiteren Schwächung. Werden erste Anzeichen von Erschöpfung rechtzeitig identifiziert, kann man präventiv und kurativ besser handeln und Ausfallzeiten sowie Burn-out-Spiralen rechtzeitig vermeiden. An der richtigen Stelle einen Schritt zurückgehen, um dann zwei Schritte nach vorne zu gehen, um so die Grundlagen für die weitere Entwicklung zu legen. Wer das beherzigt, wird langfristig nicht nur erfolgreicher sein, sondern auch gesund bleiben.“