Die totale Willkommenskultur der deutschen Bundesregierung bezüglich 7-stelliger Flüchtlingsströme hat Grenzen überschreiten lassen. Ob Mensch oder System, nichts ist unerschöpflich – wer wesentliche Grenzen zu lange überschreitet, endet immer im Zusammenbruch. Wir schaffen nur das, wofür wir ausreichend Identität und genügend Substanz besitzen. „Mehr sein zu wollen, als man ist“ führt am Ende zum Kollaps – im Kleinen wie im Großen. Diese Erkenntnisse aus der Psychologie sind nicht neu. „Die Unfähigkeit zu einem Nein, die Orientierung am grenzenlosen Superlativ ist der klassische Mechanismus eines Burn-outs“, so die Ärztin und Unternehmensberaterin Dr. Mirriam Prieß. Grenzenlose Leistung, grenzenloser Erfolgszwang, grenzenlose Hilfsbereitschaft – all dies steht am Anfang einer grenzenlosen Erschöpfung. Und so folgt jedem Extrem früher oder später das nächste und dies liegt dann meist im Gegenteil. Dem grenzenlosen Ja folgt irgendwann das enttäuschte und wütende Nein. Der Euphorie folgt die hilflose Aggression oder die erschöpfte Depression. War zuvor alles möglich, ist jetzt nichts mehr möglich – die totale Willkommenskultur wechselt in eine rigorose Ausgrenzungskultur. Für Dr. Mirriam Prieß ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir schreckliche Fernsehbilder von Ausschreitungen gegen Flüchtlinge in Deutschland sehen werden. Ihre düstere Prognose geht vom Entladen von Emotionen und Aggressionen in der Gesellschaft aus. Denn die Willkommenskultur hat zu viele Grenzen überschreiten lassen, deshalb entladen sich laut Prieß derzeit auch viele Emotionen und Aggressionen in der Gesellschaft. „Hinter Wut steckt immer Hilflosigkeit und Angst. Je wütender man ist, desto hilfloser und persönlicher berührt ist man. Wut ist immer ein Verlust von Augenhöhe – sich selbst, der Situation und anderen Personen gegenüber. Wo Augenhöhe fehlt, herrscht immer Anklage und Schuld anstatt Verantwortung und Dialog“, erklärt Prieß.
Hinzu kommt, dass es in der Diskussion um Minderheiten oft um unbewusste Stellvertreterkämpfe geht, in denen Erfahrungen der eigenen „Zurücksetzung“ verarbeitet werden. Prieß weiter: „Dass PEGIDA in Dresden marschiert, ist kein Zufall. Wie sollen wir fremde Kulturen integrieren, wenn wir selbst schon daran scheitern, verschiedene Meinungen und soziale Gefälle auszuhalten und wütend übereinander herfallen, anstatt uns offen auf Augenhöhe im Ja wie im Nein zu begegnen.“ Deutschland ist überfordert.
Andere Skandale und Krisen folgen dem gleichem Prinzip
Mit solchen Mustern lassen sich auch die jüngsten Erkenntnisse rund um die Krise der Deutschen Bank, den Abgas-Skandal bei VW und die Korruptionsvorwürfe bezüglich der möglicherweise unsauberen Vergabe der WM 2006 durch die FIFA erklären. Prieß: „Auch hier haben die Beteiligten die Ebenen des Dialogs verlassen, die Augenhöhe verloren und Grenzen einfach ignoriert. Das Streben nach dem Superlativ hat jedes Nein verboten und jeden menschlichen Wert zunichte gemacht.“ Auch klassische Change-Prozesse in Wirtschaftsunternehmen scheitern nicht, weil Prozesse nicht funktionieren, sondern weil das Miteinander nicht funktioniert. Weil der Dialog zwischen Führung und Belegschaft fehlt und Betroffene nicht zu Beteiligten gemacht werden. Nicht vorhandene Augenhöhe und grenzenloser Superlativ der Führung ziehen Verleugnung der Realitäten und falsche Zielsetzung nach sich. Erschöpfung und Widerstand der Belegschaft besiegeln das vorprogrammierte Scheitern.
Prieß: „Ob im Veranschaulichen von Regierungspolitik, ob in DAX-Unternehmen oder im deutschen Mittelstand: Uns fehlt im Moment die Grundlage für erfolgreiches Krisenmanagement – die Fähigkeit zum Dialog und die Fähigkeit zur Augenhöhe. Wir brauchen eine Dialogkultur nicht nur, um Zeiten des Wandels zu überstehen und Krisen zu meistern, sondern auch als Grundlage für Gesundheit und Wachstum auf allen Ebenen. Dafür brauchen wir im Dialog geschulte und trainierte Eliten und Persönlichkeiten, die fähig zur Begegnung auf Augenhöhe sind.“